Steuerberater Risikoausschluss Wissentliche Pflichtverletzung

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Einer der weniger bekannten aber wohl gefährlichsten Ausschluss enthält § 4 Nr. 5 AVB. Danach besteht kein Versicherungsschutz bei sog wissentlicher Pflichtverletzung. Viele Steuerberater gehen irrtümlich davon aus, ihr Versicherungsschutz gehe erst bei Vorsatz verloren. Die wenigsten Steuerberater kennen den Ausschluss wegen „wissentlicher Pflichtverletzung“ und machen sich klar, dass wissentliche Pflichtverletzung erheblich weniger ist als bedingter Vorsatz (der nach § 103 VVG den Versicherungsschutz ohnehin ausschließen würde). Gleichwohl ist nach ganz hM der Ausschluss bei wissentlicher Pflichtverletzung AGB-konform und stellt weder eine überraschende Klausel noch eine unangemessene Benachteiligung dar.

Die wissentliche Pflichtverletzung ist ein Mittelding zwischen grober Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz. Sie setzt hinsichtlich der Pflichtwidrigkeit unbedingten Vorsatz (dolus directus) voraus, verlangt aber keinerlei Absicht oder auch nur Inkaufnehmen des Schadenseintritts. Im Kern bedeutet der Ausschluss, dass die Versicherung auch dann leistungsfrei wird, wenn der Steuerberater zwar weiß, dass er pflichtwidrig handelt, aber fest davon ausgeht, dass kein Schaden eintreten wird oder sogar davon überzeugt ist, zum Wohle des Mandanten zu handeln. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Steuerberater lediglich die Schadensmöglich

Abweichen von Mandantenweisungen
  • 4 Nr. 5 AVB listet verschiedene Fallgruppen der Pflichtwidrigkeit auf, die zu wissentlicher Pflichtverletzung führen können. Die erste Fallgruppe ist das Abweichen von Weisungen des Mandanten. Vielen Steuerberatern ist es zu mühsam, ihre Mandanten davon zu überzeugen, dass deren Weisungen hinsichtlich der Mandatsbearbeitung (zB bestimmten Sachvortrag zu bringen, bestimmte Anträge zu stellen) nicht sinnvoll sind. Stattdessen werden solche Weisungen schlicht ignoriert, was geradewegs in die wissentliche Pflichtverletzung führt. Beispielhaft ist ein vom OLG Saarbrücken entschiedener Fall zum Parallelproblem bei der Anwaltshaftung:

Beispiel:

Der Anwalt missachtet die Weisung des gekündigten Arbeitnehmers, zugleich mit der Kündigungsschutzklage das Gehalt einzuklagen, weil er aus prozessökonomischen Gründen mit der Geltendmachung der Vergütungsansprüche bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens warten will. Er übersieht dabei eine doppelte tarifliche Ausschlussfrist. Hätte der Mandant die Weisung nicht erteilt, hätte lediglich eine normale, vom Versicherungsschutz gedeckte Pflichtverletzung vorgelegen. Wegen der Missachtung der Weisung (die mit der Ausschlussfrist nichts zu tun hatte!) liegt wissentliche Pflichtverletzung vor und der Anwalt hat keinen Versicherungsschutz.

Fehlerhafte Mandatsbearbeitung

Zweite Fallgruppe (und zugleich Hauptfall) der wissentlichen Pflichtverletzung ist das bewusste Abweichen von Grundregeln der Mandatsbearbeitung. Dabei besteht zunächst Einigkeit, dass es sich um eine auf das einzelne Mandat bezogene Pflicht handeln muss. Allgemein unordentliche Aktenführung, fehlende Fortbildung, mangelhafte Fristenkontrolle, Annahme weiterer Mandate trotz Arbeitsüberlastung oder allgemein wissentlich suboptimale Büroorganisation reicht nicht. Die Abgrenzung ist allerdings filigran. Versäumt der Steuerberater wegen allgemeiner Arbeitsüberlastung Fristen, reicht die Kenntnis von der Arbeitsüberlastung allein für eine wissentliche Pflichtverletzung noch nicht aus. Anders ist es, wenn der Steuerberater wegen der Arbeitsüberlastung in Bewusstsein und in Kenntnis des Ablaufs von Fristen bewusst von der Bearbeitung einer Akte absieht oder nicht einmal mehr die Akten sichtet, um Fristen zu notieren. Demgegenüber ist das Vergessen der Bearbeitung einzelner Akten regelmäßig keine wissentliche Pflichtverletzung.

Gerade im Umgang mit Arbeitsüberlastung und daraus resultierenden Fehlern machen Steuerberater, die vom Mandanten in Anspruch genommen werden, oft schwere taktische Fehler. Hat der Steuerberater eine Sache liegenlassen und wurde deshalb eine Frist versäumt bzw. ist Verjährung eingetreten, ist es naheliegend und auch menschlich verständlich, wenn der Steuerberater gegenüber dem geschädigten Mandanten den Fehler mit „völliger Arbeitsüberlastung“ zu entschuldigen versucht. Dabei übersieht er jedoch, dass dieser Erklärungsversuch den VR geradezu einlädt, wissentliche Pflichtverletzung einzuwenden.

In der Praxis häufig anzutreffende Fälle wissentlicher Pflichtverletzung betreffen die unterlassene Fehlerkorrektur. Nicht selten bemerkt der Steuerberater einen eigenen Fehler zu einem Zeitpunkt, an dem dieser noch korrigiert werden könnte (zB durch Wiedereinsetzungsantrag). Häufig werden solche Reparaturmöglichkeiten aber nicht genutzt, um gegenüber dem Mandanten den Fehler nicht zugeben zu müssen. Die wenigsten Steuerberater wissen, dass sie sich auf diese Weise selbst um ihren Versicherungsschutz bringen.

Nicht zur wissentlichen Pflichtverletzung führt es, wenn der Steuerberater einen Fall oberflächlich bearbeitet, zB indem er den Sachverhalt nicht vollständig aufklärt, sein Präsenzwissen nicht durch Recherche hinsichtlich möglicherweise geänderter Rechtsprechung prüft etc. Denn sonst wäre eine wissentliche Pflichtverletzung nur dann ausgeschlossen, wenn der Steuerberater so sorgfältig gearbeitet hat, dass kein Schaden eintreten konnte, und dann wäre die Versicherung ad absurdum geführt.

Regressprozess

Der Ausschluss bei „wissentlicher Pflichtverletzung“ ist nicht nur ein Problem für den in Regress genommenen Steuerberater. Vielmehr lauern auch für den Vertreter des geschädigten Mandanten Fallstricke. Immer wieder ist zu beobachten, dass sich im Regressprozess der geschädigte Mandant (und/oder dessen Anwalt) nicht damit begnügt, Fahrlässigkeit/Verschulden des in Anspruch genommenen Steuerberaters darzulegen. Vielmehr ist nicht selten – oft aus verständlicher Empörung – in der Klageschrift zu lesen, der in Anspruch genommene Steuerberater habe „an der Grenze zum Vorsatz“, „in bewusster Außerachtlassung jeglicher Sorgfalt“, „ohne Rücksicht auf Weisungen des Mandanten“ etc gehandelt. Der Kläger übersieht dabei, dass er mit solchen Formulierungen den Versicherer geradezu dazu einlädt, sich auf wissentliche Pflichtverletzung zu berufen. Der Kläger schlägt sich also selbst die Versicherungsdeckung weg. Es ist deshalb ein Kunstfehler, wenn der Kläger im Haftungsprozess Anhaltspunkte für wissentliche Pflichtverletzung vorträgt, im Haftungsprozess reicht ja leichte Fahrlässigkeit aus.

Unsere Empfehlung

Dieser Beitrag zeigt ausschnittsweise einige Aspekte der wissentlichen Pflichtverletzung. Der überwiegende Teil der Berufshaftpflichtversicherer bietet für diesen Bereich keinen Versicherungsschutz.
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